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Eiweiß ist nicht Eiweiß

Warum man nicht immer von „Eiweißen“ schreiben sollte – wenn man Proteine meint – und was man besser schreiben kann.

„Eigelb enthält mehr Eiweiß als Eiweiß.“ Diesen Satz kennt ihr bestimmt noch aus der Schule oder in irgendeiner Form aus dem Internet. Das stimmt zwar für den Anteil je 100 g Eigelb bzw. „Eiweiß“ (16,1 g gegenüber 11,1 g) aber nicht pro Ei.

Eigelb enthält 16 g Eiweiß pro 100 g, Eiklar enthält 11 g Eiweiß pro 100 g.

Anteil je 100 g essbarem Anteil des Hühnereis. (Bild: ©Christian Thiele, Daten: siehe unten)

Abgesehen davon zeigt dieser Satz aber, dass man besser zwei verschiedene Begriffe benutzen sollte: Eiklar für den Bestandteil von Hühnereiern (vor dem Kochen ist da ja nichts weiß) und Proteine für „Eiweiße“. Aber abgesehen von Experten spricht wohl kaum einer von Eiklar.

Der Begriff Eiweiß wird oft als Synonym für Protein verwendet. Das ist soweit auch anschaulich. Gerade bei Themen wie der Ernährung oder Landwirtschaft ist der Begriff Eiweiß für Proteine allgemein verständlich.

Pressestellen von Unis und Instituten (und auch einige Journalisten) schreiben oft von „Eiweißen“, wenn Proteine gemeint sind. Beim Informationsdienst Wissenschaft finden sich über 1600 Pressemitteilungen mit dem Wort Eiweiß (die wenigsten davon über Hühnereier 😉 ) und fast 400 mit dem Ausdruck „Eiweißstoff“. Meist ist das nicht als erklärender Zusatz zu Protein verwendet, sondern als laufender Begriff.

Problematisch finde ich, wenn dort von einem “ speziellen Eiweiß“ die Rede ist. Denn das ist nicht anschaulich und unnötig.

Irgendeine Hirnwindung denkt ja doch an gekochte Eier, wenn sie den Begriff „Eiweiß“ wahrnimmt.

Proteine sind an fast allen Lebensvorgängen beteiligt. Jeder mit etwas Allgemeinbildung hat eine ungefähre Ahnung was Antikörper, Enzyme und Rezeptoren machen. Wozu also zurückrudern zum Frühstücksei? Wird damit irgendwas klarer? – Nein, es schafft eine Dissonanz, die das Lesen von solchen Texten schwerer macht.

Die Vielfalt der Proteine kann man auch mit eigenen Begriffen würdigen und dabei dem Leser diese Wunderwerke der Evolution näher bringen:

  • Enzyme – ermöglichen oder beschleunigen chemische Reaktionen, wie z.B. Lactase, die Lactose abbaut
  • Antikörper – binden körperfremde Substanzen
  • Rezeptoren – binden Signalmoleküle und leiten Signale weiter
  • Strukturproteine – bilden die elastischen „Gerüste“, die Zellen und Gewebe zusammenhalten z.B. Keratin in Harren und Nägeln

Diese vier Begriffe decken schon viele der „speziellen Eiweiße“ ab, sind aber viel anschaulicher.

Wirklich altmodisch finde ich den Begriff „Eiweißstoff“ – er schafft auch noch mehr Distanz zum Thema. (Vielleicht mögen ihn deshalb Geisteswissenschaftler in Pressestellen?) Wie auch immer – eine schnelle Suche beim Google Ngram Viewer zeigt, das „Protein“ und „Proteine“ häufiger in Büchern (deutschen Büchern bei Google Books) zu finden sind als „Eiweiß“ und „Eiweiße“. Der Begriff „Eiweißstoffe“ ist wie vermutet veraltet und hatte seinen Höhepunkt vor 100 Jahren (unteres Bild).

ngram protein

(Bilder durch anklicken vergrößern.)

Proteine sind an vielen Lebensprozessen beteiligt, „spezielles Eiweiß“ sagt einfach nichts aus. Die Leser wollen die richtigen Begriffe lesen! In Zeiten, in denen es in jedem Supermarkt oder jeder Drogerie Proteinpulver und Lactasetabletten gibt, darf man ihnen diese Begriffe zutrauen.

Quelle der Daten in der Abbildung „Anteil je 100 g essbarem Anteil des Hühnereis“: Deutsche Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie (DFA), Garching (Hrsg.): Lebensmitteltabelle für die Praxis. Der kleine Souci · Fachmann · Kraut. 4 Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-8047-2541-6, S. 88ff.

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